Kinder­wunsch mit Epilepsie

Heute ist eine Epilepsie in der Regel kein Grund mehr, auf eigene Kinder zu verzichten. Die meisten Schwan­ger­schaften verlaufen auch bei Frauen mit Epilepsie weitge­hend problemlos.

Wichtiger Hinweis: Eine frühzei­tige Absprache mit dem/der Neurolog*in ist notwendig, wenn möglich zwei Jahre vor einer geplanten Schwan­ger­schaft. Das gilt insbe­son­dere für Mädchen oder jungen Frauen, die Valproat nehmen (Handels­namen z.B. Depakine oder Orfiril) – siehe Infor­ma­tionen unten auf dieser Seite oder im Flyer.

Da Verhü­tungs­mittel Wechsel­wir­kungen mit Antiepi­lep­tika haben können, sollte auch hierzu der/die Neurolog*inkonsultiert werden. Mehr dazu in den FAQ.

Flyer «Kinder­wunsch und Epilepsie»

Epilep­sien sind zwar bis auf extrem seltene Ausnahmen keine Erbkrank­heiten, dennoch haben die Kinder von Eltern mit einer Epilepsie ein erhöhtes Risiko, selbst eine Epilepsie zu bekommen. Damit muss bei ungefähr 5 Prozent gerechnet werden, während das Risiko bei gesunden Eltern bei 0,5 bis 1 Prozent liegt. Wenn beide Eltern Epilepsie haben, steigt das Risiko auf etwa 20 Prozent an.

Ist Epilepsie in der Familie häufig oder besteht der Verdacht auf eine erbliche Form, könnte sich eine geneti­sche Abklä­rung lohnen.

Häufig ist die Angst vor Fehl- und Missbil­dungen grösser als die reale Gefahr: Insge­samt weisen nur zwei bis drei von 100 Kindern epilep­sie­kranker Eltern deutli­chere Fehlbil­dungen auf.

Aller­dings sind einige Medika­mente erwie­se­ner­massen riskant (siehe Infor­ma­tionen zu Valproat weiter unten).

Es hat sich gezeigt, dass das Fehlbil­dungs­ri­siko mit der Dosis und Zahl einge­nom­mener Medika­mente ansteigt. Frauen mit Epilepsie und Kinder­wunsch sollten deshalb frühzeitig mit ihrem behan­delnden Arzt klären, ob die Medika­tion angepasst werden sollte. Dabei ist zu bedenken, dass das Wissen zu den Risiken der meisten neuen Antiepi­lep­tika noch begrenzt ist.

Erklär­video «Kinder­wunsch mit Epilepsie»

Menschen mit Epilepsie können meist problemlos Kinder haben – gute Planung ist aber wichtig.

Der Verlauf von Epilep­sien wird durch eine Schwan­ger­schaft nur selten ungünstig beein­flusst. Nur bei etwa 25 Prozent ist mit einer deutli­chen Zunahme von Anfällen zu rechnen, bei rund 65 Prozent ist kein nennens­werter Effekt festzu­stellen, und immerhin etwa 10 Prozent haben in der Schwan­ger­schaft sogar eindeutig weniger oder schwä­chere Anfälle.

Valproat, während der Schwan­ger­schaft genommen, führt bei rund 10 Prozent der Kinder zu Fehlbil­dungen (z.B. sogenannte Spina bifida oder „offener Rücken»). Ausserdem kann es in rund 30 bis 40% der Fälle zu Entwick­lungs­stö­rungen bei Kindern kommen, deren Mütter Valproat genommen haben (intel­lek­tu­elle Einschrän­kungen, Autismus).

Das Medika­ment mit dem Wirkstoff Valpro­in­säure oder Valproat ist in der Schweiz verfügbar als Depakine Chrono, Orfiril, Convulex, Valproat Chrono Desitin retard, Valproat Sandoz retard und Valproate Chrono Zentiva.

Wer bereits Valproat nimmt und schwanger werden will oder schwanger ist, sollte das Medika­ment trotzdem auf keinen Fall einfach eigen­mächtig absetzen – ein Anfall mit Sturz könnte für das ungebo­rene Kind und die Mutter gefähr­li­cher sein als die Neben­wir­kungen des Medika­ments. Betrof­fene Frauen sollten dringend Rücksprache mit ihrem behan­delnden Neuro­logen halten.

Die Risiken steigen mit der Dosis, sind aber auch unter einer niedrigen Dosis höher als bei anderen Antiepi­lep­tika. Die Risiken sind auch höher bei Kombi­na­tion mit anderen Antiepi­lep­tika als unter einer Monothe­rapie. Trotzdem ist eine Kombi­na­ti­ons­the­rapie mit einer niedrigen Dosis Valproat (möglichst unter 600 mg) eher günstiger als eine höhere Dosis Valproat; die Kombi­na­tion Valproat und Lamotrigin sollte aber vermieden werden.

Empfeh­lung für Mädchen und Frauen

Unser Rat an Ärzte und Betrof­fene: Am besten sollten gebär­fä­hige Mädchen und Frauen keine Behand­lung mit Valproat beginnen oder weiter­führen. Nur wenn wirklich keine der Alter­na­tiven hilft, lässt sich die Einnahme von Valproat vertreten. Die Betrof­fenen sind über die Risiken einer Einnahme von Valproat in der Schwan­ger­schaft und die Gründe für eine Behand­lung in Kenntnis dieser Risiken ausführ­lich gemäss den Unter­lagen der Swiss­medic aufzu­klären und ihr Einver­ständnis ist schrift­lich zu dokumentieren.

Nach Möglich­keit sollten diese Frauen verhüten. Bei bestehendem Kinder­wunsch sollte immer die aller­nied­rigste Dosis angestrebt und gleich­zeitig täglich Folsäure zum Schutz vor einer kindli­chen Fehlbil­dung einge­nommen werden.

Generell empfehlen wir epilep­sie­be­trof­fenen Frauen mit Kinder­wunsch eine frühzei­tige Rücksprache mit ihrem behan­delnden Neuro­logen, ob die Medika­tion angepasst werden sollte.

Verbot nicht sinnvoll

Valproat ist trotz dieser Gefahren ein sinnvolles Medika­ment, denn bei einer ganzen Gruppe von bestimmten Epilep­sie­formen (sogenannte primär genera­li­sierte Epilepsie-Syndrome) ist Valproat allen anderen Antiepi­lep­tika signi­fi­kant überlegen wirksam. Dies ist umso bedeu­tungs­voller, als die sogenannten Aufwach-Anfälle ohne jegliche Vorwar­nung zum sofor­tigen Bewusst­seins­ver­lust mit Sturz und zu ausge­prägten Zuckungen und Verkramp­fungen mit entspre­chend hoher Verletzungs- bis Lebens­ge­fahr führen. Es bestehen auch Hinweise, dass längere Krampf­an­fälle während der Schwan­ger­schaft den Fötus schädigen können. Valproat wird auch in der Psych­ia­trie einge­setzt und beugt Migräne-Anfällen vor.

Bei vielen kindli­chen Epilep­sien ist Valproat das Mittel der Wahl in der Behand­lung. Kann die antiepi­lep­ti­sche Medika­tion bei den jugend­li­chen Mädchen nicht erfolg­reich vor Errei­chen der Gebär­fä­hig­keit abgesetzt werden, sollte eine Umstel­lung auf ein anderes Antiepi­lep­tikum sorgsam überlegt werden.

Bei Männern kann Valproat weiterhin weitge­hend gefahrlos angewendet werden. Aller­dings gibt es zahlreiche Wechsel­wir­kungen mit anderen Medika­menten, es kann diverse Organe beein­träch­tigen und ist für Menschen mit einer seltenen Störung sogar lebensgefährlich.

Seit Dezember 2018 müssen der behan­delnde Arzt/Ärztin und die betrof­fene Patientin jährlich in einem Formular bestä­tigen, dass die Risiko­auf­klä­rung statt­ge­funden hat. Das Formular ist auf der Website von Swiss­medic verfügbar.

Infor­ma­tionen der Swiss­medic zu diesem Thema, sowohl für Fachper­sonen wie für Patientinnen

Autoren: Günter Krämer, Stephan Rüegg; letzte Aktua­li­sie­rung: 2023

Letztes redak­tio­nelles Update dieser Seite: Dezember 2021