In den letzten fünf Jahren haben sich genetische Tests in der Epileptologie etabliert. Einen wichtigen Beitrag dazu hat Johannes Lemke geleistet.

Herr Lemke, was hat der Forschungspreis der Epilepsie-Liga für Sie bedeutet?

Lemke: Dank ihm konnte ich damals mit meiner Genforschung beginnen – vorher hatte ich eigentlich nur die Projektidee vor Augen. Die Förderung hat sich seitdem in höchstem Masse ausgezahlt. Aus der ursprünglichen Studie sind unglaublich viele weitere Projekte entstanden.

Was haben Sie und andere herausgefunden?

Wir haben erstmals ein Verfahren entwickelt, um die Ursachen genetisch bedingter Epilepsien zu erkennen. Inzwischen wissen wir, dass insgesamt rund 30% aller Epilepsien genetische Ursachen haben. Treten die Anfälle schon im den ersten Lebensjahr auf, sind es sogar fast zwei Drittel. Die Zahl der möglichen genetischen Ursachen ist enorm und quasi alle davon sind äusserst selten.

Was haben die Betroffenen oder ihre Eltern von einer genetischen Abklärung?

Eine klare Diagnose bringt Gewissheit. Oft können wir hierdurch besser einschätzen, in welche Richtung sich die Erkrankung entwickelt und manchmal, welche Medikamente gut helfen und welche nicht. In jedem Fall erübrigt sich die weitere Suche nach der Ursache, die oft mit zahlreichen Tests, Blutentnahmen und MRI verbunden ist.

Einerseits wird Epilepsie nur selten vererbt, andererseits ist die Ursache doch oft genetisch. Wie geht das zusammen?

Viele genetische Epilepsien gehen auf sogenannte „De-Novo-Mutationen“ zurück, treten also neu auf. Es gibt natürlich auch erbliche Formen – hier können wir nun bei der Familienplanung beraten.

Für wen lohnt sich die genetische Beratung?

Wir empfehlen die Analyse für alle Kleinkinder, die ohne erkennbare Ursache epileptische Anfälle erleiden und dadurch in ihrer Entwicklung gestört sind. Aber auch für Jugendliche und Erwachsene, bei denen ein begründeter Verdacht besteht.

Prof. Dr. Johannes Lemke arbeitete als Oberarzt am Inselspital Bern, als er 2011 den Forschungsförderpreis der Epilepsie-Liga erhielt. Seit Mai 2014 ist er kommissarischer Leiter des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Leipzig.

Interview aus Epilepsie-News 1/2018