Epileptische Anfälle sind oft dramatisch und mit unangenehmen Folgen verbunden. Nun könnten sie aus eigentlich vermeidbaren Gründen zunehmen. Deshalb schlägt die Schweizerische Epilepsie-Liga Alarm.

(Zürich) Im Mai 2019 tauschten Epilepsie-Spezialisten in der Schweiz und Deutschland hektisch E Mails aus: Ein wichtiges Medikament war plötzlich nicht mehr lieferbar. Wo gibt es noch Vorräte? Wie lässt sich der Wirkstoff notfalls ersetzen?

„Für Menschen mit Epilepsie kann der Lieferausfall ihres Medikaments schlimme Folgen haben“, erklärt Prof. Dr. Stephan Rüegg, Präsident der Schweizerischen Epilepsie-Liga. Jeder Wechsel der Medikation, selbst mit dem gleichen Wirkstoff, erhöht das Risiko eines neuen epileptischen Anfalls – und das sogar nach jahrelanger Anfallsfreiheit. „Jeder Anfall hat erhebliche Auswirkungen im Alltag“, sagt Rüegg. „Betroffene können sich verletzen, dürfen nicht mehr Auto fahren, viele bekommen Schwierigkeiten in Beruf oder Ausbildung.“ Hinzu kämen erhebliche Behandlungskosten.

Deshalb setzt sich die Epilepsie-Liga dafür ein, dass das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung sämtliche Antiepileptika in seine Liste meldepflichtiger Wirkstoffe aufnimmt und ein Pflichtlager anlegt. „Wir sehen aber auch die Verantwortung der Hersteller, Grossisten und Apotheken, solche wichtigen Medikamente in ausreichenden Mengen am Lager zu halten“, sagt Rüegg. „Nicht zuletzt empfehlen wir Betroffenen, einen Vorrat für mindestens einen Monat anzulegen.“

Risiko Referenzpreise
Problematisch sind für Menschen mit Epilepsie nicht nur Engpässe. „Wir setzen uns auch gegen jeden wirtschaftlichen Druck ein, zu einem billigeren Präparat zu wechseln“, sagt Rüegg. Das Stichwort lautet Referenzpreissystem: Nach den aktuellen Plänen will das Bundesamt für Gesundheit (BAG) jeweils festlegen, wieviel die Krankenversicherungen maximal für patentabgelaufene Arzneimittel bezahlen müssen. Rüegg: „Mit jedem Franken, der so gespart wird, riskieren wir bei Menschen mit Epilepsie neue Anfälle – das kommt erheblich teurer.“

Neuere Studien belegen, dass ein Präparatewechsel das Risiko eines epileptischen Anfalls erhöht, auch wenn die neue Tablette den gleichen Wirkstoff in gleicher Menge enthält. Aber Medikamente verschiedener Hersteller können unterschiedliche Bindemittel, Farbstoffe, Überzüge etc. enthalten, auf die Epilepsiebetroffene unterschiedlich reagieren. Und nicht zuletzt hat eine grössere Studie gezeigt, dass bereits Änderungen von Form oder Farbe eines Epilepsiemedikaments zu schlechterer Einnahmetreue führen und dadurch vermehrt Anfälle auftreten können.

Epilepsie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung; in der Schweiz sind rund 70‘000 bis 80‘000 Menschen betroffen. Rund zwei Drittel davon sind dank Medikamenten anfallsfrei.

Medienmitteilung der Epilepsie-Liga mit Link zu aktueller Studie (Februar 2019)

Weitere Studie zum Thema

Stellungnahme der Epilepsie-Liga zu Generika (2012)

Aktuelle Informationen zu Lieferengpässen von Medikamenten liefert diese Website: www.drugshortage.ch