Der wichtigste deutschsprachige Epilepsie-Kongress findet vom 8. bis 11. Mai 2019 in Basel statt: die 11. Gemeinsame Jahrestagung der Schweizerischen Epilepsie-Liga mit der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie.

Basel. Genforschung kann helfen: Verursacht eine genetisch bedingten Veränderung des Glukosetransporters 1 bei Kindern epileptische Anfälle, nützen die üblichen Medikamente wenig. Hingegen waren 90 Prozent der jungen Patienten durch eine ketogene Diät binnen zehn Tagen anfallsfrei, also eine spezielle, äusserst fettreiche Ernährung.

In anderen Fällen könnte das Cannabis-Derivat Cannabidiol helfen. In den USA ist seit Ende 2018 das erste verschreibungspflichtige Medikament mit einem Wirkstoff aus der Hanfpflanze zugelassen, für Kinder mit den schweren Epilepsieformen Dravet- oder Lennox-Gastaut-Syndrom; in Europa wird die Zulassung jetzt erwartet. Derzeit rät die Schweizerische Epilepsie-Liga allerdings von einem Einsatz bei den üblichen, häufigeren Epilepsieformen ausserhalb von Studien ab, weil bisher weder Wirkungen noch Nebenwirkungen bekannt sind.

Zwei Beispiele, die bei der 11. Gemeinsamen Jahrestagung der Schweizerischen Epilepsie-Liga mit der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Epileptologie vom 08.–11. Mai 2019 in Basel Gegenstand eines spannenden wissenschaftlichen Diskurses sein werden. Der wichtigste deutschsprachige Epilepsie-Kongress bietet Raum zum Austausch neuer interdisziplinärer Forschungsergebnisse sowie praktischer Erfahrungen im Sinne einer bestmöglichen Diagnostik und Therapie der Patienten. „Wir rechnen mit über 1000 Teilnehmern, überwiegend aus der Schweiz, Deutschland und Österreich“, sagt Tagungspräsident Prof. Dr. Stephan Rüegg, der zugleich Präsident der Epilepsie-Liga ist.

Neue Therapieformen und bekannte Probleme

Rund 70 Prozent der Epilepsie-Patienten können mit der richtigen Diagnose und Therapie mit Medikamenten (Antiepileptika) ein anfallsfreies Leben führen. Etwa ein Drittel der Patienten allerdings ist nach wie vor nicht ausreichend therapierbar, doch gibt es Entwicklungen neuer Medikamente und neuartiger Therapieformen. Die Tagung befasst sich mit genetischer Diagnostik, Epilepsiechirurgie oder Stimulationstherapien ebenso wie mit Immunepilepsien, Intensivmedizin und neuropsychologischen Aspekte der Epilepsie.

Alte Medikamente neu einsetzen

Zu den spannenden Themen beim Kongress zählt das hochinteressante und aktuelle Repurposing, also Medikamenten-„Recycling“: Bereits etablierte oder wieder verworfene Medikamente können sich unter Umständen als wirkungsvolle Alternative auf einem ganz anderen Gebiet erweisen.

So sprechen neue Daten dafür, dass Fenfluramin, ein Appetitzügler, der wegen kardiologischer Nebenwirkungen in den USA vom Markt genommen wurde, in niedrigerer Dosierung bei Kindern mit dem Dravet-Syndrom, einer besonders schweren kindlichen Epilepsie mit bis zu 100 Anfällen pro Tag, eine erhebliche Anfallsminderung erreichen kann.

Gegen Vorurteile ankämpfen

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Ergebnisse der 2018 in allen drei Ländern durchgeführten Bevölkerungsbefragung, die beim Kongress in Basel erstmals vorgestellt werden. Die Erhebung kann mit früheren verglichen werden und wird Aufschlüsse zur Wahrnehmung von Epilepsie in der Gesellschaft liefern: Wo sind Stigmata verankert? Mit welchen Vorurteilen haben Patienten in ihrem Alltag zu kämpfen? „Stigma ist noch immer ein großes Thema und unser großes Ziel, es zu vermeiden. Epilepsiebetroffene sind in der überwiegenden Mehrheit Menschen wie du und ich, denen man vielfach überhaupt nicht anmerkt, dass sie diese Erkrankung haben“, sagt Stephan Rüegg.

Klischees leben lang

Einen spannenden Exkurs bietet in diesem Zusammenhang eine Sitzung zur kulturellen Vermittlung von Epilepsie, etwa in der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia als wichtiger Informationsquelle der Internetöffentlichkeit sowie im Spiel- und Fernsehfilm. „Sehr häufig werden dort epileptische Anfälle falsch gezeigt und Epilepsiebetroffene insgesamt eher negativ gezeichnet“, sagt Rüegg. Eine Ausnahme: Bei der Kieler „Tatort“-Kommissarin Sarah Brandt driftete die Darstellung eher ins Gegenteil. Die sympathische junge Polizistin vergisst ihre Tabletten, fährt Auto und hantiert mit der Schusswaffe – und schließlich „verhindert“ ein Anfall sogar ein drohendes Blutbad.

Für Betroffene, Angehörige und interessierte Laien findet am Samstag, 11. Mai, von 10 bis 16.20 Uhr ein Patiententag im Rahmen der Dreiländer-Tagung statt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Der Patiententag bietet Betroffenen die Möglichkeit, sich über Fortschritte der Epilepsiebehandlung und zum Thema Selbsthilfe zu informieren, miteinander und mit Experten ins Gespräch zu kommen und so selbst zum „Experten“ für ihre Erkrankung werden zu können.

Weitere Informationen zur Tagung sowie das Programm finden Sie auf der Website https://www.epilepsie-tagung.de.