Der Umstieg auf Generika hilft, die Gesundheitskosten zu dämpfen, das hört und liest man häufig. Doch nicht in jedem Fall trifft das zu: Menschen mit Epilepsie riskieren bei jedem Wechsel neue Anfälle, auch mit identischem Wirkstoff. Das zeigt eine neue Studie, die nun mit dem Alfred-Hauptmann-Preis ausgezeichnet wird.

(Zürich/Basel) Epilepsie ist die häufigste chronische neurologische Erkrankung; in der Schweiz sind rund 70‘000 bis 80‘000 Menschen betroffen. Rund zwei Drittel davon sind dank Medikamenten anfallsfrei.

Dieser erstrebenswerte Zustand kann sich aber schnell ändern – zum Beispiel, wenn der oder die Betroffene ein neues Medikament verschrieben bekommt. Egal ob jemand vom Originalpräparat auf ein Generikum umsteigt, umgekehrt zum Original wechselt oder ein anderes Generikum nimmt: Laut einer aktuellen deutschen Studie anhand von 3500 Betroffenen erhöht jede Änderung das relative Risiko eines neuen Anfalls um mehr als 30 Prozent – selbst bei gleicher Rezeptur. Epileptische Anfälle können erhebliche Auswirkungen im Alltag haben, wie Verletzungen, den Verlust der Fahrerlaubnis oder Schwierigkeiten im Berufsleben.

Generika bei Erstverschreibung sinnvoll

„Wir sehen uns damit in unseren bisherigen Aussagen bestätigt“, sagt Prof. Dr. Stephan Rüegg, Präsident der Schweizerischen Epilepsie-Liga, die bereits 2012 ein Statement zum Thema veröffentlicht hat. „Wir sind nicht gegen Generika“, stellt er klar, „bei der erstmaligen Verschreibung eines Medikaments ist es sinnvoll, das günstigste passende Angebot zu wählen.“ Ist ein Patient aber einmal gut eingestellt, d.h. anfallsfrei bei guter Verträglichkeit, gilt das Motto „Never change a winning team“.

Besonders gefährdet sind ältere Menschen, die inzwischen die Mehrheit aller Epilepsiebetroffenen ausmachen. Sie können bereits durch eine andere Farbe und Grösse der Tabletten verunsichert werden, was die Gefahr von Einnahmefehlern massiv erhöht.

„Wir appellieren an Gesundheitspolitiker, Neurologen, Neuropädiater und Apotheker, in der Behandlung von Epilepsie unnötige Medikamentenwechsel zu vermeiden“, sagt Rüegg. „Bedenkt man die möglichen Folgekosten neuer Anfälle, fährt unser Gesundheitssystem günstiger, wenn es in der Behandlung von Epilepsie auf finanzielle Anreize zum Umstieg verzichtet.“ Gesundheitsminister Alain Berset will für patentabgelaufene Medikamente nur noch einen sogenannten Referenzpreis vergüten, um die Abgabe von Generika zu fördern. „Für Epilepsiebetroffene wäre das Referenzpreissystem kontraproduktiv“, stellt Rüegg klar.

Studie ausgezeichnet

Dr. Johannes Lang (Erlangen), Prof. Dr. Karel Kostev (Frankfurt) und Prof. Dr. Hajo M. Hamer (Erlangen) erhalten für die erwähnte Studie den Alfred-Hauptmann-Preis 2019. Diesen Preis verleihen die Deutsche und die Österreichische Gesellschaft für Epileptologie gemeinsam mit der Schweizerischen Epilepsie-Liga alle zwei Jahre für die beste wissenschaftliche Arbeit aus dem deutschsprachigen Raum auf dem Gebiet der Epileptologie. Das Preisgeld von 10‘000 Euro wird von der Firma UCB zur Verfügung gestellt. Der Preis ist nach dem deutschen Neurologen Alfred Hauptmann benannt, der 1912 die antikonvulsive Wirkung von Phenobarbital entdeckte und 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung aus Deutschland emigrieren musste.

Hinweis für Medien: Die Preisverleihung findet am Donnerstag 9. Mai 2019 um 10 Uhr in Basel an der Jahrestagung der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Epileptologie und der Schweizerischen Epilepsie-Liga statt. Journalisten sind nach Anmeldung willkommen.

Johannes D. Lang, Karel Kostev, Hajo M. Hamer et al. Switching the manufacturer of antiepileptic drugs is associated with higher risk of seizures: A nationwide study of prescription data in Germany. Ann Neurol 2018;84:918–925. https://doi.org/10.1002/ana.25353

Stellungnahme der Epilepsie-Liga zu Generika (2012)